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Kapitel 1,Roman
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Kapitel 1, Part 2
Der
Weg durch den steinigen Flur hinaus in die Welt war keine lange
Reise. Es dauerte nicht lange und er ließ die geschützte Umgebung
seines Zuhauses hinter sich und trat aus dem Gebäude. Sanft schloss
er die schwere Eichentür und füllte danach seine Lungenflügel mit
einem Zug frischer Luft. Kalte, aber jungfräuliche Luft, die nicht
mit den Gerüchen der Fackeln oder Laternen der Innenräume
geschwängert war. Er liebte sein Zimmer, aber hier draußen auf der
Mauer fühlte er sich frei. Frei wie ein Vogel, vor allem bei dem
Ausblick, der sich hier einem bieten konnte. Seine Stiefel waren auf
dem festen Untergrund kaum zu hören, als er sich dem Rand seiner
Heimat näherte. Ein strammer Windstoß ließ die Robe wild flattern
und jagte Karas einen Kälteschauer über den Rücken.
Die
Temperaturen sollten zu der Jahreszeit in der Tat ein wenig
angenehmer sein. Ich kann mich nicht an das letzte Mal erinnern, an
dem die Nächte so frostig gewesen sind.
Trotzdem genoss Karas den Moment
in vollen Zügen. Mit geschlossenen Augen stand er einfach in der
Dunkelheit und kostete das friedliche Geräusch des Windes. Seine
Arme waren vor der Brust verschränkt, die Atmung flach und die
Aufregung der letzten Stunde verschwand vollends aus seinem Körper.
Der vergangene Albtraum war nur noch ein unwichtiger Bestandteil in
seinen Gedanken, irgendwo im hinteren Ende seines Geistes verborgen.
Nicht der Rede wert und sicherlich auch kein Grund, den Ursprung
weiter zu verfolgen.
Es
war nur ein Traum. Nicht mehr und nicht weniger.
Karas wusste nicht, wie lange er
dort mit verschlossenen Lidern gestanden hatte, aber als er sie
wieder öffnete, konnte er am Horizont die ersten zaghaften Strahlen
der aufgehenden Sonne entdecken. Der Stoff seiner Robe hatte sich
beruhigt und hing nun locker über der Schulter. Die brausende
Luftzüge waren verschwunden. Der Tag brach langsam an.
Es würde nicht lange dauern und
die Vögel am Waldrand würden mit ihren Gesängen beginnen und das
Land mit Leben füllen. Der Tau auf den Gräsern würde sich
verflüchtigen und das saftige Grün der Gräser freigeben. Von hier
oben, wirkte die Welt, die sich vor ihm erstreckte, wie ein Ort, der
förmlich nach einer Erkundung bettelte. Landstriche voller Wunder,
voller Dinge, die Karas noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hatte.
Ein großes, unentdecktes Phänomen, welches er nur zu gerne
kennenlernen wollte.
Vielleicht
bald...vielleicht ist es bald so weit.
Die ersten Sonnenstrahlen
griffen um sich, wie Finger, die vorsichtig nach ihrem Ziel tasteten.
Die Baumkronen wurden erhellt und erstreckten sich wie eine einzige
grün-braune Fläche bis zum Horizont. Hier und dort waren karge
Berge zu entdecken, die sich wie alte Buckel aus dem Wald reckten.
Die ersten Vögel stiegen flatternd aus ihren Nester auf und
unterstrichen das lebendige Bild, welches sich sich ihm bot.
Seine Hand wanderte nach oben
und strich die Kapuze von seinem Kopf; machte die kurzen Haare für
die angenehme erste Wärme des Tages frei. Seine Finger fanden durch
die steigende Temperatur langsam wieder ihr Gefühl. Er ballte seine
Hände zu Fäusten, öffnete sie wieder und wiederholte das ganze
Prozedere.
Hinter Karas ertönten leise
Schritte, die sich ihm gleichmäßig näherten. Er schloss ein
letztes Mal die Augen, sammelte die Eindrücke der friedlichen
Einsamkeit in seinen Gedanken und seufzte zufrieden. Als er sie
wieder öffnete, stand neben ihm eine Person, komplett eingehüllt in
die gleiche braune Kutte, die auch Karas trug.
„Bruder“, sagte der
Neuankömmling, das Gesicht nach vorne gerichtet und komplett vor ihm
verborgen.
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