08:25 -
Kapitel 2,Roman
No comments
Kapitel 2, Part 3
„Wichtig ist,
dass du dich an deine Aufgabe hältst. Reise zurück in die
Zivilisation und finde heraus, was dort vor sich geht. Wenn der Tag
des jüngsten Gerichts bevorstehen sollte, müssen wir gewarnt sein,
Bruder“, fuhr er fort, „Du bist unsere einzige Hoffnung mehr zu
erfahren, bevor es möglicherweise zu spät ist.“
„Und wohin soll
ich mich genau begeben? Hat meine Reise ein Ziel, Pater?“
Der
Gesichtsausdruck des Alten wurde düster und grimmig: „Schatten
sinken überall nieder. Der Kontinent verschwindet in der Dunkelheit,
die Hoffnung schwindet zusehends. Das Ziel deiner Reise wissen wir
ebenso wenig, wie die Situation außerhalb der Mauern. Namen von
Orten oder Gebieten sind allerdings ohne Belang, denn du wirst es
zweifellos bemerken, wenn du am Ende deiner Reise angekommen bist.“
„Wenn ich die
benötigten Informationen gefunden habe, was geschieht dann? Wird der
Orden aus dem Exil zurückkehren und sich der Dunkelheit stellen?
Welche Rolle werden wir spielen, Pater?“
Sein Lehrer
kreuzigte seinen Körper mit dem Zeigefinger – erst die Berührung
an der Stirn, dann der Brust, gefolgt von der linken sowie der
rechten Schulter. Am Ende küsste er die gerunzelte Haut auf seinem
geschlossenen Handballen, ehe er flüsternd, fast unverständlich
antwortete:
„Bete zu den
Göttern, dass sich unsere Sorgen als unbegründet herausstellen,
mein Sohn. Sollten wir uns nicht irren, wird es ganz gleich sein, wie
wir uns entscheiden. Vor dem Fegefeuer der Hölle kann man sich nicht
verstecken.“
Nachdem die
Prozession der Fackelträger schleichend das Ende der Treppe erreicht
hatte, verschwanden sie träumerisch summend im großen Tor, welches
zum heiligsten Ort des Klosters führte. Die Schwärze des Eingangs
verschluckte nach einem kurzen Augenblick die flackernden Flammen und
tilgten jegliche Beweise ihrer Existenz. Die beiden Mönche alleine.
Als es ruhig um sie auf der Mauer geworden war und nur noch der Wind
über die Zinnen als einziger Zuhörer wehklagte, nickte der Mentor
seinem Schüler aufbauend zu und führte in sachte zur finalen Weihe.
Gemeinsam kehrten sie der steinerne Grenze zur Außenwelt den Rücken
und trabten zusammen durch den verlassen Hof, der sonst nur mitten in
der Nacht, wenn alle tief schliefen, zu solch einer Ruhe kommen
würde. Es war nicht nur für Karas ein besonderer Moment im Leben,
sondern auch für seine Brüder. Nicht viele bekamen in ihrer
Lebenszeit die Chance, einen Abgesandten hinaus in die weite Welt
marschieren zu sehen und bei der Rückkehr neue Details zu erfahren
Er war sich noch nicht einmal sicher, ob jemals ein Abgesandter nach
draußen geschickt wurde, seit die Mönche sich für das Exil
entschieden hatten. Zwar war in den Büchern und Schriftrollen die
Rede von tapferen Recken, die sich vollen Mutes nach draußen wagten,
aber er kannte niemanden, der tatsächlich Zeuge davon gewesen wäre.
Waren die Läufer nur eine alte Legende, von den Gründern des Ordens
ausgedachte Lichtgestalten, oder gab es in der Vergangenheit
tatsächlich andere, die sein Schicksal geteilt hatten? Karas war
sich nicht sicher, ob er die Antwort jemals erfahren würde.
Im Grunde genommen ist es völlig
egal, ob ich der erste oder nur einer von vielen Läufern bin.
Wichtig ist nur, dass ich Schabanach nicht enttäuschen werde und
meine Brüder nicht im Stich lasse. Mein Pater zählt auf mich. Mein
Orden zählt auf mich. Alle zählen auf mich. Ich werde sie nicht
enttäuschen, niemals.
Sie überquerten
den Hof mit den Gewächshäusern und den kleinen, säuberlichen
angelegten Feldern, die für die Lebensmittelversorgung der Mönche
dienten. Alles wirkte wie ausgestorben, niemand war zu sehen. Mit
seinen Brüdern waren auch jegliche Geräusche verschwunden. Selbst
der Wind schien sich mittlerweile entschieden zu haben, seine Arbeit
einzustellen und Karas mit seinen Gedanken alleine zu lassen. Sein
Mentor lief schweigend neben ihm her. Der junge Mönch fröstelte und
eine Gänsehaut machte sich auf seinem Rücken breit.
Nun ist es also so weit, der große
Tag ist gekommen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.
Die Beiden
erklommen das Ende der Treppe und Karas drehte sich ein noch einmal
um, um seine Heimat ein letztes Mal mit den Augen eines Adepten zu
betrachten. Nach der Weihe würde sich sein gesamtes Leben verändern.
Er würde die Kammer als ein Läufer verlassen. Ein Abgesandter, der
das Ungewisse bereisen würde, ein gesalbter Anhänger des
Schabanach. Karas atmete tief durch und trat durch das Tor, hinein in
das Mittelgebirge. Mit jedem Schritt näherte er sich seiner
ultimativen Bestimmung.
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen